Was darf als naturnahe Bienenhaltung bezeichnet werden

Was ist nun die vielzitierte, naturnahe Bienenhaltung oder Imkerei?

Wie ich vorgängig aufzeige, brauchen wir sowohl die menschlich beeinflusste, als auch die natürliche Bienenhaltung. Man darf somit nicht nach "richtig" oder "falsch" unterscheiden. Dazwischen gibt es unzählige Mischformen, die nach Härtegrad der Natürlichkeit unterschieden werden können.

Wichtig ist, dass man sich des Natürlichkeitsgrades bewusst ist, den man selbst betreibt. Nur so kann man ersichtliche Zeichen richtig einordnen, auswerten und Schlüsse ziehen. Selbst die intensive Bienenhaltung kann bezüglich artgerechter Haltung ohne Leistungseinbussen noch optimiert werden, wenn man die Abläufe versteht und verändern will.

Das Leben eines natürlichen Bienenvolkes als Vorbild

Als Vorbild dient uns immer die Natur, welche als perfekt betrachtet werden kann. Ein Bienenvolk in der freien Natur sucht sich einen geschützten Standort wie z.B. ein grösseres Loch in einem alten Baum. Der natürliche Brutplatz hat logischerweise ein konstant bleibendes Volumen (es kommt nicht plötzlich ein Honigraum dazu, wie dies in der Imkerei der Fall ist). Die Lebensweise wird nur durch natürliche Gegebenheiten bestimmt. Klimatische Bedingungen haben direkte Auswirkungen auf die Bienenvölker und können im Extremfall zu hohen Verlusten führen. Die Biene "lernt" mit der Natur und passt sich sämtlichen Veränderungen an.

Menschliche Bienenhaltung heute

Der Imker hält in der Regel sein Bienenvolk in einem Bienenkasten mit varierbaren Volumenverhältnissen. Damit kann er den Schwarmtrieb und den Honigertrag steuern. Ungünstige natürliche Faktoren und ungünstig sich auf den Honigertrag auswirkende Faktoren werden "korrigiert" durch Fütterung, Behandlung, Zucht, etc. Durch das Unterdrücken des natürlichen Schwarmtriebes ist der Imker gezwungen, die Vermehrung künstlich über Ableger sicherzustellen. Die Biene lernt widernatürliche Abläufe, welche durch den Imker vorgegeben werden. Sie wird verwöhnt und verzüchtet.

Analogie aus der Hühnerwelt

Die Agypter haben vor rund 6000 Jahren herausgefunden, dass man Hühnereier durch konstant bleibende Temperatur und Feuchtigkeit künstlich ausbrüten kann. Das hat den produktiven Vorteil, dass der Mensch die Brut betreut, während die Henne weiter Eier legt - also der berühmte 5er und das Weggli, könnte man meinen.
Heute, 6000 Jahr später, gibt es kaum noch Hühner, welche brüten können. Sie legen immer noch Eier, aber ohne Inkubator können wir den Nachwuchs nicht mehr sicherstellen, weil die Hennen vollständig verzüchtet wurden.

Bienenrassen: Bienenzucht versus natürliche Kreuzung

Ich werde immer wieder gefragt, mit welcher Bienenrasse man in die Imkerei einsteigen soll. Ursprünglich war bei uns die dunkle Biene Apis Mellifera Mellifera heimisch (auch schwarze Biene genannt). Diese gibt es in der Schweiz aber leider nur noch menschlich gezüchtet und entspricht nicht mehr der heimischen Rasse. Danaben gibt es unzählige importierte und neu gezüchtete Rassen wie Carnica, Ligustica, Buckfast, etc. Wer eine Rasse erhalten will, ist gezwungen, nach jedem Ausschwärmen die Königin zu ersetzen oder Königinnen selbst zu züchten. Das ist schön, um das Genmaterial einer Rasse erhalten zu können, ist aber mit ständigen widernatürlichen Eingriffen verbunden und bringt längerfristig betrachtet nicht viel. Die andere Variante, mit der ich selber arbeite, ist die freie Rassenkreuzung. Ich habe selbst mit der schwarzen Biene begonnen und seither kreuzen sich meine Königinnen mit irgendwelchen Drohnen aus der Umgebung. Die Rassen und die Farben ändern jählich. Das scheint mir derzeit die natürlichere Variante zu sein, ist aber ebenfalls nicht vollständig natürlich, weil ich aus der Nachbarschaft jedesmal wieder 50% gezüchtetes Blut einkreuze.

Naturnahe Bienenhaltung

Die naturnahe Bienenhaltung versucht nun, möglichst alle natürlichen Gegebenheiten zu kopieren und der Biene grösstmöglichen Freiheitsgrad zu überlassen. Das Beutevolumen muss möglichst konstant bleiben. Insbesondere Volumenzugaben über dem Brutraum müssen als widernatürliche Eingriffe mit dem Ziel der Ertragssteigerung betrachtet werden. Eingriffe sollen möglichst verhindert werden. Auch eine Fütterung ist ein Eingriff. Die Biene wird sozusagen verwöhnt. Das Behandeln schwacher und kranker Völker setzt die natürliche Selektion ausser Kraft, was abermals Auswirkungen auf die natürliche Selektion hat und rein dem "vermeintlichen" Honigertrag dient. Wieviel Naturnähe man zulassen will, ist jedem selbst überlassen. Bei vollständig natürlich gehaltenen Bienenvölkern muss derzeit eine Verlustrate >90% in Kauf genommen werden! Nur ist genau das mit dem Ziel einer langfristigen Wiederansiedelung der Honigbiene die einzige Chance für eine längerfristige Arterhaltung der Honigbiene ohne unvernünftig grosse Pflegeaufwände durch den Menschen!

Einordnung von Imkermethoden

Anhand folgender Tabelle ist ersichtlich, welche Eingriffe zu welcher Intensität führen. Das der Tabelle zugrundeliegende Konzept kann hier heruntergeladen werden: Zeitgemässe und zielgerichtete Imkermethoden

Imkermethoden